Kein Platz für Antisemitismus
Gemeinsame Stellungnahme der linken Münchner Parteijugenden zum Umgang mit „Salam Shalom e.V.“ – GRÜNE JUGEND München, Jusos München, Linksjugend [’solid], Emanzipatorische Linke
„Du blöde Judensau, wir schicken dich ins Gas!“ Wegen antisemitischen Drohungen wie diesen musste der Münchner Gastronom Florian Gleibs sein israelisches Restaurant „Schmock“ im September 2016 schließen.1 Dieses Ereignis ist kein Einzelfall, sondern steht symptomatisch für eine gesellschaftliche Stimmung, die von Jüdinnen und Juden als immer bedrohlicher empfunden wird. Immer weniger fühlen sich in Deutschland sicher und immer mehr verzichten daher z.B. auf das Tragen der Kippa, um nicht zum Angriffsziel zu werden.2
Dies belegen auch die sogenannten Leipziger Mitte-Studien, die seit 2002 autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung erheben.3 Sie zeigen darüber hinaus, dass Antisemitismus nicht nur Gedankengut neonazistischer Kreise, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Umso bedenklicher finden wir daher, wie schwierig es ist, antisemitische Vorfälle und Äußerungen zu thematisieren.
Nicht zuletzt die Debatte um die im September 2016 letztendlich abgesagte Veranstaltung des Vereins Salam Shalom mit Abi Melzer hat dies unter Beweis gestellt.4
Auf dem Ankündigungsflyer der Veranstaltung wird nicht nur über einen „hysterisierten Antisemitismusvorwurf“ gesprochen, es ist außerdem von „ethnischer Säuberung“ seitens des „zionistischen Projekts“ die Rede und Terrorismus gegen Jüdinnen und Juden wird zu einem Widerstandsakt der unterdrückten Bevölkerung erklärt.5
Jenseits des Vortrags lohnt ein Blick auf die Internetpräsenz des veranstaltenden Vereins Salam Shalom, um über dessen Ansichten und Anliegen Aufschluss zu erhalten. Dort werden beispielsweise die Thesen von Norman Finkelstein, der 2010 ebenfalls von Salam Shalom eingeladen wurde, verbreitet.6 Er relativiert in diesen unter anderem den Holocaust, indem er von einer Übertreibung der jüdischen Opferzahlen spricht und die Singularität der Shoah in Frage stellt.
Dessen Thesen werden auf der Website wie folgt dargestellt:
„Das amerikanische Judentum habe sich weder im Zweiten Weltkrieg noch danach um den Holocaust gekümmert. Es habe erst seit dem Sechstagekrieg 1967 entdeckt, dass sich daraus Kapital schlagen lasse.
Es habe dann eine ‚Holocaustindustrie’ geschaffen, um sich am Holocaustgedenken zu bereichern und damit immer weitere Unterstützung für Israel im Nahostkonflikt zu erpressen.
Um den Holocaust systematisch zu vermarkten, seien die Behauptung seiner ‚Singularität‘ geschaffen und die jüdischen Opferzahlen übertrieben worden. […]“7
Dass hier nicht einmal mehr der Versuch unternommen wird, Antisemitismus als „Israelkritik“ zu kaschieren, wird spätestens bei Betrachten der auf der Website verlinkten Videos klar. So wird auf das Video „[SHOCKING] Confessions of NWO Zionists“ mit dem Untertitel „Shocking Video of New World Order Zionists Jews Admitting they want to destroy every none jew, and even start world war 3 to achieve their goal“ verwiesen.8 Auch das Video des Holocaustleugners und ehemals führenden Mitglieds des Ku Klux Klans David Duke „How Zionists Divide and Conquer“ war bis vor kurzem verlinkt.9
Der Verweis auf Rechtsradikale macht den Antisemitismus zwar deutlich, das Problem ist jedoch nicht die fehlende Distanzierung, sondern dass hier unserer Ansicht nach unter dem Deckmantel eines Wunsches nach Frieden nicht nur israelbezogener, sondern klassischer Antisemitismus verbreitet wird.
Dass der Verein gegen Kritikerinnen und Kritiker mit juristischen Mitteln vorgeht, darf nicht dazu führen, dass Antisemitismus künftig nicht mehr benannt wird. Wir solidarisieren uns daher mit denjenigen, die diesen Antisemitismus benennen und kritisieren.
Und wir appellieren, dies auch weiterhin zu tun. Die kürzlich erfolgte Absage der Veranstaltung von Salam Shalom begrüßen wir ausdrücklich. Aus unserer Sicht darf solchen Agitatorinnen und Agitatoren kein Podium geboten werden. Dies gilt insbesondere für öffentlich und städtisch geförderte Einrichtungen. Gerade sie stellen Orte der Begegnung und des Austauschs in unserer Stadt dar. Wir fordern daher Einrichtungen wie zum Beispiel das Eine-Welt-Haus oder den Gasteig dazu auf, gemeinsam mit uns ein klares Zeichen gegen jede Form von Antisemitismus zu setzen.
Unsere Losung muss bleiben, dass Antisemitismus nie wieder Platz in unserer Stadt finden darf!
1 httpss://www.vice.com/de/read/sie-sagten-du-bloede-judensau-wir-schicken-dich-ins-gas
2 httpss://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/josef-schuster-kippa-zentralrat-juden
3 httpsss://www.boell.de/sites/default/files/buch_mitte_studie_uni_leipzig_2016.pdf
4 Melzer behauptet in Reaktion auf die Kritik an seiner Veranstaltung und Person auf seinem Blog „Der Semit“ (der auf der Seite von Salam Shalom verlinkt ist) die Existenz einer zionistischen Mafia. In deren Nähe rückt er u.a. Charlotte Knobloch sowie den Journalisten Benjamin Weinthal, den er als Schreibtischtäter – ein Begriff der häufig im Zusammenhang mit Adolf Eichmann gebraucht wird – diffamiert, siehe: httpss://der-semit.de/wider-die-zionistische-mafia-und-fuer-meinungsfreiheit/
5 httpss://www.salamshalom-ev.de/PDFS/flyer_abimelzer_23.09.16.pdf Zudem ist auf der Website ein mehrseitiges Interview zu finden, in dem die terroristische Hamas ausdrücklich verteidigt und verharmlost wird. Unter anderem wird darin zum Beispiel der in der Charta der Hamas niedergeschriebene eliminatorische Vernichtungswille gegenüber Israel und im speziellen gegenüber Juden („Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn.“, s. httpss://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/36358/antisemitismus-in-der-charta-der-hamas?p=all) relativiert.
6 httpss://www.salamshalom-ev.de/PDFS/absage.pdf
7 httpss://www.salamshalom-ev.de/finkelstein/Finkelstein.html
8 httpss://www.salamshalom-ev.de/praesentationen.html
9 httpsss://web.archive.org/web/20140928103317/httpss://www.salamshalom-ev.de/praesentationen.html
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