11. Juli 2012

Gastbeitrag zum Streit zwischen der Ludwig-Maximilians-Universität und der Hochschule für Politik



München ist reich an Kuriositäten und so ist die Hochschule für Politik (HfP) vielleicht nur eine von vielen Besonderheiten in der städtischen Bildungslandschaft, allerdings eine, über die in letzter Zeit laut und aufgeregt diskutiert wird. Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) möchte nämlich die besondere Zusammenarbeit mit der Hochschule für Politik beenden. Ein schwieriges und strittiges Vorhaben, dass den Freistaat noch eine Weile beschäftigen wird.

Die Hochschule für Politik ist eine institutionell selbstständige Einrichtung der Universität München. Trotzdem ist die LMU formal für die Verleihung der akademischen Grade der HfP verantwortlich und mit der HfP eng verknüpft. Professoren, die am Geschwister-Scholl-Institut (GSI) Politikwissenschaft lehren, sind durch eine Dienstverpflichtung daran gebunden, auch an der HfP zu unterrichten. Im Herbst 2011 kündigten VertreterInnen der LMU an, die Kooperation mit der HfP einzustellen. Die hohe Arbeitsbelastung, der durch das GSI bezahlten Lehrkräfte, ist eine nicht mehr zu verkraftende Belastung für die LMU, wie GSI-Direktor Edgar Grande gegenüber der Süddeutschen Zeitung formulierte. „Wegen unserer Lehr- und Prüfungsbelastung wird sich das GSI nicht freiwillig an der Lehre an der HfP beteiligen.“, so Grande weiter. Auf Grund der wechselhaften Geschichte der Hochschule für Politik ist sie ein Institut, dessen Rechtslage in einem eigenen, nur für sie geltenden Hochschulgesetz beruht und nicht wie alle anderen Hochschulen in Bayern, dem Bayerischen Hochschulgesetz unterliegt. Deshalb befasst sich auch seit einiger Zeit der bayerische Landtag, mit einem eigens eingesetzten Unterausschuss, mit dem Streit.

Die bisherigen Sitzungen des Ausschusses lassen aber vermuten, dass der Streit sobald nicht beizulegen ist. Grande kritisiert die HfP für ihr politikwissenschaftliches Verständnis und beschreibt ihren integrationswissenschaftlichen Ansatz als eine „Fußnote der 50er Jahre in der Geschichte der Politikwissenschaft.“ Weiterhin zweifelt er das Niveau der Lehre an der HfP, die wohl merklich größtenteils durch GSI-ProfessorInnen betrieben wird, an und erwähnt auch persönliche Konflikte zwischen GSI und HfP, ohne darauf näher einzugehen. In einer Antwort auf die Vorwürfe wies der an der HfP unterrichtende Professor, Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann, diese Unterstellungen zurück. Er verteidigte den integrationswissenschaftlichen Ansatz als ergänzend zum logischen Empirismus und sich nicht, wie Grande das darstellte, gegenseitig ausschließend. Der Unterricht an der HfP berücksichtigt beide Wege, denn spätere Tätigkeiten eines Politologen sind schon lange nicht nur mehr in der Politikberatung oder auf die politische Verwaltung begrenzt, sondern sehr verschieden. In unserer heutigen Demokratie, die vor allem verstärkt auf Partizipation und Transparenz setzt, sind gerade Politologen gefragt, die Entwicklungen vielsichtig beurteilen können. Die eine Wahrheit gibt es nicht mehr, wenn es sie denn überhaupt jemals gab. HfP-Rektor Rupert Stettner stellte klar, dass die LMU sehr viel Mitspracherecht hat, da sie den entscheidenden HfP-Ausschüssen vorsitzt. Durch Rechte entstehen aber auch Pflichten und denen sind die LMU-VertreterInnen, so Stettner in der SZ, nur „relativ lahm“ nachgekommen.

Und das Niveau an der Hochschule für Politik ist meiner Meinung nach auf einem hohen Niveau, zumindest steht es dem Niveau des GSI nicht nach. Der Alltag in einem Diplomstudiengang wirkt auf viele Bachelor- und MagisterstudentInnen vielleicht wirklich angenehmer und leichter, er setzt aber auch mehr Eigenverantwortung voraus. Und StudentInnen der HfP dürfen meist, trotz der institutionellen Nähe zur LMU, viele angebotene Leistungen nicht nutzen. Manche davon könnten durch Bemühungen der HfP ermöglicht werden, aber nicht grundsätzlich alle. Und wenn sich jemand mal einen Moment lang die Prüfungsbedingungen am GSI und der HfP angeguckt hätte, wäre die Vorwurf mangelnden Niveaus nicht gekommen. Es ist weitaus schwieriger an der HfP seinen Abschluss zu machen, als am GSI. StudentInnen an der HfP können sich ihre Betreuer für die Diplomarbeit nicht frei aussuchen, der Prüfungsausschuss redet viel bei der Themenvergabe mit und auch der Zweitgutachter wird festgelegt. Zudem müssen nach dem Schreiben der Diplomarbeit noch fünf schriftliche Klausuren und etliche mündliche Prüfungen absolviert werden, bevor das Diplom erfolgreich bestanden ist. Auf Themen und PrüferInnen kann auch hier kein Einfluss genommen werden. MagisterstudentInnen hingegen schreiben nur eine schriftliche Klausur, wobei die Fragestellung von den eigenen und selbst ausgewählten Betreuern kommt. Auch bei den mündlichen Prüfungen können sich MagisterstudentInnen die Fächer aussuchen, wogegen an der HfP die Themen gelost werden. Ergebnis all dieser Unterschiede ist, dass DiplomandInnen der HfP im Durchschnitt eine Notenstufe schlechter sind als MagistrandInnen vom GSI.

Dieses hohe Niveau ist ein großer Pluspunkt für die HfP, denn die bessere Lehre ist vielen Verantwortlichen in der Politik bekannt. Ich bin selber Student der HfP und schreibe gerade meiner Diplomarbeit. Als ich mich nach dem Abitur für die HfP und gegen Universitäten entschieden habe, die vielleicht näher an meiner Heimat sind oder an denen auch FreundInnen studierten, lag das auch an dem Versprechen, eine der besten politikwissenschaftlichen Lehren in Deutschland zu bekommen. Es war dann vielleicht nicht alles Gold was glänzt und auch ich hatte meinen persönlichen Ärger mit der HfP, aber auf all meinen Praktikastationen in Brüssel, Berlin und München, bestätigten mir Vorgesetzte immer wieder, dass sie um die besondere Lehre an der HfP wissen. Auch fühlte ich mich durch mein Studium auf meinem bisherigen Weg gut vorbereitet. Ich habe in Landtagsausschüssen, Ländervertretungen, für die Europäische Kommission, einer internationalen Unternehmensberatung und dem Bundesvorstand einer Partei gearbeitet und dabei auf Fakten, aber vor allem Methoden und Denkweisen aufbauen können, die ich an der HfP gelernt habe. Es wurde mir kein sinnloses Wissen eingehämmert, sondern gezeigt, wie ich selber Politik analysieren, beurteilen und gestalten kann.

Doch das Niveau der Lehre ist nicht der einzige Grund, warum so eine besondere Lehranstalt wie die HfP in ihrer jetzigen Form erhalten werden muss. Einen Punkt habe ich in der ganzen Debatte leider noch nicht einmal gehört. In einer immer mehr nur den Eliten unseres Landes zugänglichen Bildungslandschaft, ist die HfP eine große soziale Ausnahme. Das Studium der Politikwissenschaft kann auch ohne ein Abitur begonnen werden. Diesen StudentInnen wird sogar mehr Zeit zum Bestehen des Vordiploms eingeräumt. Sie müssen zwar ihre Hochschulreife nachholen, bekommen dafür aber viel Zeit und können auf das Wissen anderer HfP-StudentInnen aufbauen, denen es ähnlich geht. Auch sind die Studiengebühren über die Häfte niedriger als im Rest Bayerns. Eine Erhöhung und die Verwendung von einem Teil der Beträge muss im Senat der HfP, vor den Lehrkräften und der StudentInnenvertretung, begründet und erst durch diesen genehmigt werden. Das nur in den Nachmittags- und Abendstunden unterrichtet wird, ein Überbleibsel vergangener Tage als Demokratieschule, hilft vielen StudentInnen, einem Beruf nachzugehen, um sich das Leben und das Studium in einer sehr teuren Stadt wie München überhaupt leisten zu können. An welcher anderen Hochschule gibt es solche sozialen Verhältnisse?

Im Herbst 2012 wird der Unterausschuss ein Konzept für die künftige Ausrichtung der HfP vorstellen. Damit hohe Studiengebühren und eine Ausrichtung auf den privaten Bildungssektor vermieden werden kann, hoffe ich, dass die PolitikerInnen des Maximilianeum zu dem Entschluss kommen, die Hochschule für Politik eher noch darin zu fördern, ihren Weg einer sozialen Hochschullehre auf hohem Niveau weiter zu gehen.

Tobias Schwarz ist Student der Hochschule für Politik und Web-Redakteur des Bundesvorstandes der Grünen Jugend. Seit Januar 2012 lebt er in Berlin und ist dort Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik bei den Berliner Grünen. Sein Gastbeitrag ist unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BY-SA 3.0) veröffentlicht. Kontakt: tobias.schwarz@gruene-jugend.de.



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