29. September 2011

Mittendrinnen im Geschehen



Unsere Vorsitzende Jana Kehl berichtet über das Shadowing-Programm in der Bundestagsfraktion an dem sie teilnehmen durfte:

„Auch wenn es nur fünf Tage waren, die ich als Praktikantin im Büro von Ekin verbringen durfte, hatte es diese Woche (Montag, 19.09.11 bis Freitag, 23.09.11) in sich:

Einen Tag vor Beginn waren Abgeordnetenhauswahlen in Berlin, zweites großes Ereignis war der umstrittene Besuch des Papstes inklusive Rede im Bundestag. So konnte ich neben einer regulären Sitzungswoche auch noch die Nachbereitung der Wahlen, die Debatte um die Rede sowie die Demonstration dagegen erleben.
Nun aber erst einmal ein paar Worte zu meiner Person und über den Grund meines Praktikums:

Ich heiße Jana, bin 17 Jahre alt, wohne in einem Vorort von München und verpasse gerade den Beginn meines letzten Schuljahres. In München bin ich seit knapp zweieinhalb Jahren bei der Grünen Jugend.
Das Praktikum ist eigentlich gar kein Praktikum, sondern ein Shadowing-Programm, organisiert von der Grünen Jugend Bayern in Zusammenarbeit mit dem Büro von Ekin. Hierbei wird es sieben junggrünen Menschen ermöglicht, für fünf Tage der Schatten einer oder eines Bundestagsabgeordneten zu sein. Zusätzlich haben wir eine Reihe an weiteren Programmpunkten, doch dazu gleich mehr. Immer schön der Reihe nach, beginnen wir am Montag:
Nach einem spannenden, durchmischten Wahlabend starteten wir sieben Teilnehmer_innen in den ersten Tag des Programms.
Der Morgen begann für mich mit einer kleinen Vorstellungsrunde in Ekins Büro. Im Gegensatz zu einigen anderen Teilnehmer_innen, deren Abgeordnete noch nicht in Berlin bzw. im Büro waren, hatte ich die Möglichkeit, kurz mit Ekin persönlich zu sprechen.
Zusammen mit Jonas, Ekins studentischem Mitarbeiter, der das Programm mit organisiert hat und die Gruppe die Woche über begleitet hat, ging es weiter zur zentralen Ausweisstelle. Denn ein- und ausspazieren ist hier natürlich nur nach Vorzeigen eines passenden Ausweises erlaubt.

Im Anschluss an das gemeinsame Mittagessen, bei dem wir Teilnehmer_innen uns das erste Mal trafen, führte Jonas uns durch die verschiedenen Gebäude. Unsere erste Anlaufstelle war der grüne Fraktionssitzungssaal, in dem wir ca. 20 Minuten für eine kurze Vorstellungsrunde, den Austausch unserer Erwartungen an die Woche sowie die Einführung in das Programm, saßen. Danach folgte ein kurzer Abstecher auf die Plattform, eine Führung durch die anderen Gebäude sowie durch die Bibliothek. Am Spannendsten fand ich jedoch die Sitzungssäle der fünf Fraktionen, die sehr unterschiedlich eingerichtet waren. Während die Wände des grünen Sitzungsraums mit alten (Wahl)Plakaten geschmückt werden, hängt bei der Union lediglich ein großes Kreuz an der Wand.
Den Rest des Tages verbrachte ich im Büro. Toll fand ich vor allem, dass ich für die fünf Tage einen kleinen Arbeitsauftrag, und zwar das Erstellen eines Factsheets zum Thema „Integration und Migration“, bekam. Die Horrorvorstellung eines mäßig interessanten Praktikums, bei dem die wesentliche Tätigkeit das sinnlose Herumsitzen ist, war also von vorne herein aus dem Weg geräumt.

Der Dienstag begann für mich um halb zehn, als Ekin und ich die letzte halbe Stunde in der Arbeitsgemeinschaft „Kultur und Medien“ die Planung der kommenden Monate begleiteten.
Gleich im Anschluss tagte der Arbeitskreis 5, der sich mit den Themen Kinder, Familie, Jugend, Demografie, Altenpolitik, Bildung, Forschung, Hochschulen, Kultur, Medien, Frauen und Gender sowie Technologiepolitik beschäftigt. In den fünf verschiedenen Arbeitskreisen der grünen Bundestagsfraktion sitzen neben Abgeordneten auch ihre Mitarbeiter_innen. Dieses Mal standen zwei Vorträge, einer zum Thema Verteilung, der andere über die Ergebnisse des OECD-Berichts über das deutsche Bildungssystem – jeweils gehalten von grünen Abgeordneten – im Vordergrund. Außerdem wurde über verschiedene Anträge zu den oben genannten Themen gesprochen.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen, bei dem Ekin uns u.a. von ihrer politischen Jugend erzählte, und einem kurzen Aufenthalt im Büro, begann auch schon die Fraktionssitzung – das Highlight des Tages. Neben Glückwünschen an Renate und einer Diskussion über das Ergebnis der Wahl zum Abgeordnetenhaus, wurde hier über anstehende Anträge, wer welche Rede halten wird und ähnliches gesprochen. Die Atmosphäre war locker und lustig, womit ich ehrlich gesagt nicht gerechnet hätte.
Der kommende Tag begann ebenfalls um halb zehn, dieses Mal allerdings mit dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Im Gegensatz zu den Arbeitskreisen, treffen sich in den Ausschüssen Abgeordnete der unterschiedlichen Fraktionen und diskutieren über Anträge und Aktualitäten. Das Besondere dieses Mal war die Besprechung des Bundeshaushaltsplans 2012, genauer gesagt der für Bildung zur Verfügung stehenden Mittel und die Pläne für das kommende Jahr.
Nachmittags arbeitete ich im Büro an meinem Factsheet; am Abend sind wir als Gruppe gemeinsam mit Jonas in die Heinrich-Böll-Stiftung zu der Buchvorstellung von Tom Koenigs, ebenfalls MdB für die Grünen, gegangen. Er hat seine Erfahrungen über die Zeit als Leiter der UN-Mission in Afghanistan 2006/2007 unter dem Titel „Machen wir Frieden oder haben wir Krieg“ veröffentlicht.

Damit wir Teilnehmer_innen auch noch die bekannteste aller Sitzungen im Bundestag, das Plenum, erleben können, wurde uns für Donnerstag morgen ein Platz auf der Tribüne reserviert. Eine Stunde lang durften wir also entweder den Reden für und gegen die von der Koalition neu überarbeitete Fassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder über einen Antrag der SPD zum „Wissenschaftlichen Nachwuchs“ zuhören. Ab dem frühen Nachmittag wurde bereits das komplette Reichstagsgebäude für alle Menschen, mit Ausnahme der MdBs natürlich, gesperrt. Auf den Dächern lauerten Scharfschütz_innen, in der Spree suchten Taucher_innen der Polizei den Grund ab und alle Fenster mussten geschlossen werden. Stolze 30 Millionen Euro kostete das ganze Spektakel – für die gerade mal 20 Minuten dauernde Rede des Oberhauptes der katholischen Kirche.

Mit mehreren tausend anderen Menschen, darunter auch einige Abgeordnete, demonstrierte ich auf dem Potsdamer Platz. Leider zogen sich die Redebeiträge über zwei Stunden lang hin, sodass ich, als sich die Massen langsam aber sicher zu bewegen begannen, schon zur nächsten Veranstaltung musste. Der Arbeitskreis 5 ging nämlich gemeinsam in die neu eröffnete Kaffeebar einer ehemaligen Kollegin und ließ den Abend gemütlich mit israelischem Essen ausklingen.
Ehe ich mich versah, war auch schon der letzte Tag gekommen. Wir trafen uns zu einer Feedbackrunde, während der wir unsere Erlebnisse austauschen, Kritik und Lob äußern konnten. Nach dem Mittagessen ging ich ein letztes Mal in Ekins Büro. Hier stand noch eine kleine Sitzung an, bei der die wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen zusammen mit der Büroleiterin und Ekin die kommende Woche besprachen.

Alles in allem war die Woche unglaublich spannend, abwechslungsreich und interessant. Ich hatte die Möglichkeit, viele verschiedene Eindrücke zu sammeln und einen ersten Einblick in die Arbeit von Bundestagsabgeordneten zu bekommen. Vielen Dank nochmal an Jonas und Dimitra für die Organisation, an das komplette Büro, das mich so toll aufgenommen und unterstützt hat und zu Guter Letzt natürlich an Ekin, die mir trotz ihres stressigen Tagesablaufs viele Fragen beantwortete und interessante Geschichten erzählte. Allen politisch interessierten Menschen kann ich solch ein Praktikum nur mehr als empfehlen!“



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